Fünf Fragen an den Präsidenten der Handwerkskammer Düsseldorf Andreas Ehlert

Herr Ehlert, Sie sind Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, zugleich auch Schornsteinfegermeister mit einem eigenen Kehrbezirk.
Kaum ein anderer kann die Belange des Handwerks besser verstehen als Sie. Mit Ihrer Tätigkeit als Präsident der Handwerkskammer haben Sie tiefe Einblicke in die Politik des Landes NRW und als Schornsteinfeger sind Sie vor Ort und kennen die Sorgen und Nöte der Menschen besser als so mancher Berufs-Politiker.

Deshalb freuen wir uns, mit einem Experten zu sprechen, der seine Erfahrungen und sein Wissen in einem kurzen Interview mit uns teilt.

  1. Herr Ehlert, zum Kammerbezirk Düsseldorf gehören ca. 59.000 Handwerksbetriebe. Können Sie uns bitte beschreiben, in welcher allgemeinen Stimmung sich das Handwerk in der derzeitigen Corona-Situation befindet? Die „funktionale Normalität“ in der täglichen Arbeit ist ja kaum noch oder sehr schwer für das Handwerk umzusetzen. Unterschiedliche Corona Regeln, fehlende oder verspätete Corona Hilfen des Landes und Insolvenzen von einst gesunden Unternehmen, sind z.Z. Schlagzeilen in den täglichen Medien.


    So vielfältig wie das Handwerk ist, so unterschiedlich ist auch seine derzeitige wirtschaftliche Lage. Das Bau- und Ausbaugewerbe boomt und profitiert von einer ungebrochen hohen Nachfrage nach Bauleistungen. Die Auftragsbücher sind voll – Auftragsreichweiten von mehr als zwei Monaten keine Seltenheit. Auf der anderen Seite haben die Lebensmittelhandwerke und die personenbezogenen Dienstleistungen wie Friseure, Kosmetikerinnen und Fotografen immer wieder massiv unter den Corona-Einschränkungen gelitten. Hier ist die Stimmung im dritten Jahr der Pandemie durchaus angespannt.
    Hinzu kommen weitere Entwicklungen, wie Materialknappheiten und Preissteigerungen für Rohstoffe, Vorprodukte und Energie, die unsere Betriebe in Atem halten. Alles in allem ist das Handwerk in seiner Gesamtheit aber bisher relativ robust und ohne nennenswerten Substanzverlust durch die Pandemie gekommen.

     

  2. Wir hören immer aus der Politik, „Das Handwerk ist ein wichtiger Motor für Wachstum und Wohlstand in Deutschland.“ Stimmt diese These immer noch. Welche Entscheidungen muss bzw. sollte die Politik treffen, um diesen Motor mit genügend „brennbarem Treibstoff“ zu versorgen.


    Ein klares Ja! In Nordrhein-Westfalen erwirtschaftet das Handwerk rund 137 Milliarden Euro Umsatz im Jahr und bildet damit das Rückgrat des Mittelstands. Zusammen sind unsere 194.000 meist kleinen und mittleren Betriebe mit ihren über 1,1 Millionen Beschäftigten die „Wirtschaftsmacht von nebenan.“ Auch für die Berufliche Bildung spielt das Handwerk als größter Ausbilder des Landes eine ganz zentrale Rolle. Jedes Jahr starten etwa 30.000 junge Menschen mit einer Ausbildung im nordrhein-westfälischen Handwerk in ihre berufliche Zukunft.

    Aus meiner Sicht gibt es einige zentrale Stellschrauben, an denen die Politik drehen muss: Steuer- und Abgabenlast, Bürokratieabbau, Fachkräftesicherung und Verlässlichkeit in der Klimapolitik. Im internationalen Vergleich ist Deutschland nach wie vor Hochsteuerland. Hier sehe ich trotz angespannter Haushaltslage zumindest punktuelles Entlastungspotenzial. Noch wichtiger ist aber, dass die Belastung nicht weiter steigt. Vor allem bei den Sozialversicherungsbeiträgen drohen uns ohne Reformen in den nächsten Jahren Kostenexplosionen. Es ist unbegreiflich, dass die neue Bundesregierung die Frage der Zukunftsfähigkeit des Sozialversicherungssystems nahezu vollständig ignoriert. Auch beim Bürokratieabbau gibt es viele Möglichkeiten, um unsere Betriebe in der konkreten Unternehmenspraxis zu entlasten. Weiterhin ist die Fachkräftesicherung im Handwerk natürlich ganz entscheidend. Hier brauchen wir konkrete Maßnahmen zur Stärkung der beruflichen Bildung – insbesondere bei der Berufsorientierung sowie bei der Modernisierung der Berufsschulen und der Bildungsstätten des Handwerks. Und zuletzt brauchen wir Verlässlichkeit und Technologieoffenheit in der Klima- und Förderpolitik. Nur so können unsere Betriebe langfristig planen. Ganz aktuell hat das Bundeswirtschaftsministerium mit dem abrupten Stopp des KfW-Förderprogramms für energieeffiziente Gebäude ein Beispiel dafür geliefert, wie es nicht laufen sollte.

     

  3. Mittlerweile ist der Mangel an Handwerkskräften auch in der Politik angekommen. Dieser Mangel war z.B. extrem spürbar, als wir im Sommer 2021 von diesen schrecklichen Flutkatastrophen überrascht wurden. Noch heute, acht Monate nach diesem Wetterereignis gibt es immer noch Menschen, die dringend auf Hilfe warten. Vollmundig wurden von der Politik schnelle unbürokratische Hilfen versprochen und da wo finanzielle Hilfen angekommen sind,  fehlt es an der Zahl von geeigneten Handwerkern. Gibt es aus Ihrer Sicht einen aktuellen Stand, inwieweit das Handwerk mit seinen Möglichkeiten unterstützt?


    Zahlreiche Handwerksbetriebe sind gleich in den ersten Tagen nach der Flut mit Mann und Maschine in die betroffenen Gebiete gefahren und haben ehrenamtlich mit angepackt. Das war ein großartiges Zeichen der Solidarität und des Zusammenhalts. Zudem haben alle Handwerkskammern gemeinsam mit unserem Zentralverband in Berlin mit der Aktion „Handwerk hilft Handwerk“ insgesamt 650.000 Euro an Spendengeldern gesammelt, die nun an von der Flut betroffene Betriebe ausgezahlt werden. Auch beim Wiederaufbau spielt das Handwerk eine ganz wichtige Rolle. Ich kenne viele Betriebsinhaber, die Aufträge aus Flutgebieten priorisieren, damit die Betroffenen etwa schnellstmöglich wieder eine funktionierende Heizung haben. Das Thema Wiederaufbau wird unsere Bau- und Ausbaubetriebe aber noch viele Monate, wenn nicht sogar Jahre, beschäftigen. 

     

  4. Immer mehr junge Menschen in Deutschland entscheiden sich für ein Studium oder für eine kaufmännische Ausbildung. Viele Menschen bezeichnen diesen Zustand als einen ausgeprägten „Akademisierungswahn“, der vielfach auch von den Eltern unterstützt wird. Man hört schon einmal den Spruch: „Gehe nicht ins Handwerk, lerne was Ordentliches, wir wünschen uns, dass es Dir einmal besser geht als uns“.  Die Frage ist, wie können wir gemeinsam für das Handwerk werben und wie können wir jungen Menschen vermitteln, dass das Handwerk interessante und spannende Aufgaben bereithält. Oder müssen wir vielleicht erst einmal bei den Eltern, die ja in der Regel einen wesentlichen Einfluss auf die Ausbildungswahl Ihrer Kinder haben, mehr und effektivere Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit leisten?


    Die Eltern spielen in der Tat eine ganz zentrale Rolle. Oftmals schöpfen sie aus dem Erfahrungshorizont ihrer eigenen Jugend, in der ein Studium automatisch für Aufstieg stand. Diese Gleichung geht aber heutzutage, wo die Hälfte aller Schulabgänger studiert, nicht mehr ohne weiteres auf. Vielmehr gibt es die größte Lücke bei beruflich ausgebildeten Fachkräften. Ich bin überzeugt: Wir brauchen beides – akademisch und beruflich qualifizierten Nachwuchs. Aber wir müssen den Eltern immer und überall klarmachen, dass Aufstieg und beruflicher Erfolg nicht nur mit Bachelor und Master, sondern auch mit Gesellen- und Meisterbrief möglich sind.

    Denn selten waren die Chancen für junge Menschen als Fachkraft, Führungskraft oder selbstständiger Betriebsinhaber im Handwerk durchzustarten besser als jetzt. Allein in unserem Kammerbezirk suchen tausende Betriebe in den nächsten Jahren einen Nachfolger. Zudem sind die großen Zukunftsaufgaben – von der Klimawende über die Digitalisierung bis zur Mobilitätswende nur mit dem Handwerk zu meistern.
    Das SHK-Handwerk nimmt zum Beispiel eine Schlüsselfunktion bei der Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor ein. Bundesweit warten etwa 14 Millionen alte Wärmeerzeuger auf ihren Austausch durch Wärmepumpen, Brennstoffzellen & Co. Da ergeben sich riesige Chancen für den Nachwuchs!

    Hinzu kommt, dass vielen Menschen die handwerkliche Arbeit einfach gut liegt. Egal ob Brot, Haarschnitt, Anstrich oder neues Badezimmer: Im Handwerk sieht man am Ende des Tages ganz konkret, was man geleistet hat. Nicht umsonst ist die Arbeitszufriedenheit bei Handwerkern laut einer Studie der Universität Göttingen besonders hoch. Ich finde es immer wieder wunderbar, zu sehen, wer bei uns im Handwerk alles sein Glück findet.

     

  5. Herr Ehlert, meine letzte Frage, welche persönlichen Ziele haben Sie in Ihrer Funktion als Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, das Handwerk in seiner Außenwirkung und auch in der politischen Wahrnehmung zu unterstützen.

    Ich habe vor allem zwei Ziele. Zum einen möchte ich gemeinsam mit der Handwerkskammer und allen Organisationen des Handwerks erreichen, dass die großen und vielfältigen Chancen in unserem Wirtschaftsbereich von noch viel mehr jungen Menschen gesehen und ergriffen werden. Ganz konkret bedeutet das zum Beispiel: Wir wollen die Corona-Delle auf dem Ausbildungsmarkt endlich hinter uns lassen und bei den Ausbildungszahlen im Kammerbezirk 2022 wieder Vorkrisenniveau erreichen!


    Zum anderen ist mir wichtig, dass die entscheidende Rolle des Handwerks bei der Bewältigung der großen Transformationsaufgaben in der Politik wahrgenommen wird und wir bei allen mittelstandsrelevanten Themen mit am Tisch sitzen. Denn egal ob Bildungs-, Wirtschafts- oder Klimapolitik: Das Handwerk ist immer Teil der Lösung.


Lieber Herr Ehlert,


unseren herzlichen Dank für die offenen und klaren Worte auch in Richtung Politik. Wir wissen, dass Ihr Wort und Ihr Engagement nicht nur in NRW gilt, sondern auch weit über die Landesgrenzen hinaus. Im Namen der Energiegemeinschaft Düsseldorf  auch Danke für Ihre Zeit 

(Das Interview erfolgte im Video Chat)   

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